Wir sind alle Kinder von Mutter Erde
ankommen
heimkommen
zur Ruhe kommen
der Natur lauschen
die Worte des Flusses fließen
das Gras flüstert
die Sprache der Steine lernen
Feuerstelle
Holz, biegsam, gewachsen
in der Mitte der Schwitzhütte
ein Loch graben
ein Geburtskanal
eine Nabelschnur
wir rufen Mutter Erde
die Schwitzhütte abdecken
dunkel
eine Gebärmutter entsteht
gepolstert mit frischem, grünem Gras
geschützt mit Heilkräutern
Feuer
wir entzünden die heiße Kraft
Licht, Lebensfunken
Wärme, Wachstum
Zerstörung, Wandlung
Transformation
Steine
wie im heißen Bauch der Mutter
tief im Inneren der Erde
werden sie erhitzt
rotglühender Stein
speichert Erinnerungen
und setzt sie frei
ein Weg
von der Feuerstelle zur Schwitzhütte
auf- und absteigende Lebenskräfte
spiralförmige Zentren der Energie
ein Tor
Einladung für die Spirits
1. Durchgang
eintauchen in die Dunkelheit
sitzend auf einem Polster aus Gras
Steine glühen heiß
in unserer Mitte
Flüstern
Aufregung
Neugier
Räucherwerk auf heißem Stein
rotglühende Sterne funkeln
wie Feenstaub
zauberhafte Lichtpunkte
tanzen durch die Dunkelheit
Flusswasser
zischt
verdampft
heiß, es wird immer heißer
schemenhafte Wesen neben mir
verbunden, vereint in der Dunkelheit
Feuer
kann die heiße Kraft des Feuers spüren
sehen
ein rotgoldener Drache
steigt aus dem Feuer auf
verwandelt sich in eine Schlange
orange-weiß-schwarz gemustert
eine Königsnatter
im Dunklen
Tierköpfe
große aufgerissene Mäuler mit spitzen Zähnen
alle kommen auf mich zu und drohen mich zu verschlingen
doch kein Schmerz
und auch bald keine Angst ist mehr spürbar
ich gebe mich der transformierenden Kraft der Dunkelheit hin
die mich nicht verschlingt
sondern aufnimmt
in den heißen Schoß der Erde
hinein in die nachtdunkle Schwärze
Schweiß- und Wassertropfen rinnen
an meinem nackten Körper hinunter
ein großer Vogel erscheint,
breitet seine Schwingen aus
ein Adler?
nein, ein riesiger Geier
hinaus ins Licht
die Dunkelheit gibt ihre Kraft der Wandlung an das Feuer zurück
heiß, die Haare kleben am Körper
meine Hände stützen sich auf die Erde
erhebe mich schwankend
die Beine wollen mir nicht gehorchen
der Körper noch träge, schwer
frische Luft in meinem Gesicht
kaltes Gras unter meinen Füßen
das Licht des Feuers vor meinen Augen
mit dem Bademantel finde ich einen Platz
zwischen Feuerstelle und Fluss – Feuer und Wasser, Erde unter mir, Luft über mir
in den Elementen gebadet, gereinigt, laufen mir Tränen des Dankes über die Wangen
so lebendig, ich atme tief,
spüre wie mein Körper mit jeder Zelle die Erde berührt
und ihr dankt
ins kalte Wasser des Flusses
ich lasse los, weiß nicht was
lasse gehen, das Wasser über mich strömen
altes darf gehen und ich darf mich spüren, darf leben, darf ich sein
so schön
ich liege wieder im Gras
mein Herz klopft so stark
ich spüre meine Lebendigkeit so stark in mir
blicke hinauf in den nachtdunklen Himmel
schließe die Augen
Energie fließt durch mich hindurch
in pulsierenden Strömen
ich drehe mich
scheine mich zu erheben
tanze mit der neugewonnenen Energie
durch die Nacht
in den Himmel
und zurück auf die Erde
Energieströme
tanzen durch die Nacht
und ich tanze mit ihnen
2. Durchgang
begierig tauche ich diesmal ein
in die bereits ein wenig bekannte dunkle Kraft
ins heiße, schwüle Schwitzen
glitschige Nässe auf meinem Körper
spüre wie die schwarzen Transformationsströme
mein Herz berühren und meine Seele
spüre die Nacht der Wandlung
spüre die Erde unter mir, die mich liebevoll trägt
spüre eine Kraft die mich in die Dunkelheit zieht
und mir Verwandlung schenkt
die mir einen neuen Anfang schenkt
in der dunklen Gebärmutter
mich in Stücke auflösend
meine Lebensmuster sehen im Fadenwerk gesponnen
und ein paar alte Fäden neu ordnen
alte, verbrauchte Muster körperlich hinausschwitzen
und seelisch der Dunkelheit zurückgeben
gewandelt ins Licht der sternenklaren Nacht treten
und klare Luft atmen
diesmal mit kräftigeren Beinen
sofort an den Fluss
und hinein
das wunderbare, kalte Wasser
erfrischt, belebt, begrüßt mich wie einen alten Freund
und ich genieße seine zärtlich-energetische Berührung
am ganzen Körper
ein Energiefluss streicht an mir vorüber
ich darf sie aufnehmen, die sich ständig verändernde
und doch so beständige
Kraft des Wassers
die mit meinem Körper singt und ihn durchdringt
meine Zellen mit Leben versorgt
und mein Herz mit Freude
dann liege ich unter dem sternenklaren Himmel
die Nacht aufgespannt wie ein Zelt über mir
beschützt bin ich und gesegnet
die Sterne zum Greifen nahe
sinke ich tief in die Erde
eingebunden in den Lebensfluss der Elemente
nicht mehr Beobachter
sondern verbunden
am ewig alten Kraftgesang der Erde und des Himmels teilnehmend
und ein ewig alter Teil in mir singt und erwacht und lebt
Frauen Durchgang am 2. Tag
diesmal ist das Eintauchen intensiver
die Kraft stärker
so stark, ein Energiefeld, das mit den Händen greifbar scheint
immer wieder öffnet sich der Eingang
noch mehr heiße Steine
immer stärker das Kraftfeld
ich schwimme bereits mit dem Energiefluss
der letzte glühende Stein
Dunkelheit
Angst,
doch dann fühle ich mich aufgehoben, geborgen
Räucherwerk knistert, verglüht
aromatische Düfte steigen in meine Nase
lösen Erinnerungen aus
Bilder
auf heißen Steinen ein rot glitzernder Sternenhimmel
aus der Erde und aus der Schamanin dringt ein Kraftfeld
immer stärker
Mutter Erde, wir Frauen verbunden mit der Urkraft
der weiblichen, dunklen Macht des Gebärens
bin ich angekommen, aufgenommen
darf ich mich verbinden
mit dem weiblichen Kraftfeld?
mit meiner eigenen weiblichen Kraft?
nachhause…
heimkommen in mir
so wunderbar aufgenommen,
angenommen in dieser Kraft
so vieles löst sich in mir
wieder Angst
mich ganz hinzugeben
und dann
eine Kraft
aus der Erde?
richtet mich auf
dringt in mich ein
verbindet sich mit mir
die Schamanin öffnet Tore der Kraft
ruft die große Mutter, die Erd-Mutter, die All-Mutter, die Kraft der Erde
bin beschützt und gestärkt
eine Energie verbindet sich mit der meinen
„vertraue mir,
ich führe dich,
beschütze dich“
die Mutter spricht mit mir
so glücklich bin ich
so vertraut ist diese Energie
aber wo war diese wunderbare unterstützende Energie
in den meisten Jahren meines Lebens?
„Mutter, warum hast du mich verlassen?
Wo warst du als ich dich gebraucht habe?“
Tränen des Zorns, der Trauer und der Hilflosigkeit
rinnen über meine Wangen
und in mir ertönt die Antwort
gleichzeitig in mir
wie auch tief aus der Erde
„Niemals habe ich dich verlassen, meine Tochter.
Ich bin immer da.
Du hast dich selbst verlassen.“
ich liege am Boden
Schluchzen schüttelt mich
ich weine meine Trauer in den Boden
ja, ich habe mich wirklich selbst verlassen
diese Erkenntnis ist so schmerzvoll
doch die Tränen sind erlösend, befreiend
dürfen endlich geweint werden
der Schmerz darf endlich zurückkehren
ich darf endlich heimkehren
in diese, meine Energie
mein ganzer Körper fließt und schwitzt und weint
und alles rinnt an mir in den Erdboden hinab
wie ein Baby liege ich am Bauch der Erdmutter
und ich blicke zur Schamanin hinüber
die ich plötzlich zu sehen scheine – sie sieht aus wie eine Erdgöttin
ein Bild überlagert sich mit ihrem in der Dunkelheit
und ich sehe Kornfelder, Obstbäume, Gemüsepflanzen
alles wächst aus den großen Brüsten der Erdmutter
Mutter Erde nährt uns ein Leben lang,
bis wir im Tod zurückkehren in ihren Schoß
Eulenaugen – Licht und Dunkelheit
geborgen bin ich
im dunklen Mutterbauch der Erde
heiß-glitschig rinnen
Schweiß- und Wassertropfen an meinem Körper hinunter
meine Zunge schmeckt salzige Tränen
Eulenaugen
schwarz, groß und dunkel
blicken mich an
versinken soll ich
in diesen Augen
mich hineinfallen lassen
in die Dunkelheit
Wissen aufnehmen, Weisheit geschenkt bekommen
doch wohin soll ich?
mich ins linke oder ins rechte Augen fallen lassen?
habe ich zwei Seiten?
bin ich Licht und Dunkelheit?
bin ich mehr?
meine linke und meine rechte Seite
mein weiblicher und mein männlicher Teil
lasse mich ins linke Auge hineinziehen
immer tiefer fallen
durch einen dunklen Tunnel
und am Ende
Sternenhimmel
dunkel, schwarz
eine Sternspirale
schwarze Gebärmutter der Himmelsgöttin
aus der dunklen Spirale steigt sie auf
meine weibliche Schöpferkraft
pulsiert
wieder Eulenaugen
diesmal durch das rechte Auge
immer tiefer fallen
Licht
eine pulsierende, leuchtende Sonne
männliche, strahlende Energie
und ich liege wieder geborgen
am Boden
im schwarzen Schoß der Mutter
scheine einzutauchen in ein schwarzes Meer
aufgefangen, eingehüllt
im weichen Bauch meiner Mutter
höre ich ihre Stimme, ihren Gesang
ein Wiegenlied, gesungen für mich
kann die Worte nicht verstehen
nicht mit dem Kopf
aber mit dem Herz
meine Seele erinnert sich
ein Lied über ferne Welten
und die Liebe einer Mutter, die durch nichts zu erschüttern ist
fremdartig vertraute Klänge hüllen mich ein
Tränen laufen über meine Wangen
Tränen der Zärtlichkeit, der Verbundenheit
der unglaublichen Berührtheit
Tränen der Liebe
Hände streichen über mich
streicheln mich liebevoll, beschützend
bin eingehüllt in braune Erde
wühle im Schlamm
erdgeboren
eine riesige Wildsau läuft auf mich zu
braune Erde
Erdkraft
Wildheit
Ahnenkraft
plötzlich stecke ich fest
als müssten meine kleinen Beinchen
in ein noch kleineres Glas passen
zusammengequetscht
verdreht, verkehrt stecke ich fest
da greift eine große Hand nach mir
dreht mich herum
und befreit mich
erlöst und im Fluss
möchte ich nun geboren werden, ans Licht
und wir kriechen nacheinander durch die Öffnung der Schwitzhütte hinaus in die Welt
ich bin verschwitzt, verweint und glücklich
Herzschlag – verbunden mit Mutter Erde
mein nackter Körper
ruht auf dem Erdboden
kalt erfrischend
bin ich auf regennasses Gras gebettet
meine Augen geschlossen
lausche ich den Geräuschen
die der Wind sanft zu meinen Ohren trägt
das Wasser des Flusses
rauscht neben mir dahin
Feuer knistert, brennt
und sprüht Funken in die Nacht
Luft umgibt mich, streichelt mich
Erde trägt mich
Energie fließt durch mich
ein warmer Strom des Lebens
Glück
und
Herzschlag
mein Herz schlägt
Herzschlag dehnt sich aus
Rhythmus der Erde
mein Herz verbunden mit dir, Mutter Erde
mein Herzschlag ein Herzschlag deines großen Erdenherzens
Einklang in mir
Gleichklang
ohne Grenzen bin ich im Erdherzen
und das Herz der Erde in mir
untrennbar verbunden
eins geworden
schlägt mein Herz im Rhythmus aller Dinge
und das Universum liegt in mir
für Momente eins geworden
ganz groß und ganz klein
ganz wichtig und unwichtig geworden
verbunden mit dir, Mutter Erde
schenkst du mir deine Kraft
schenkst du mir deine Liebe
schenkst du mir das Glück des Daseins
schenkst du mir diesen Moment
und einen Moment lang bin ich Ewigkeit
und einen Moment lang bin ich das Universum
und einen Moment lang bin ich Göttin und Mutter allen Lebens
und dann bin ich wieder ich
und meine Augen blicken aus meinen Körpergrenzen hinaus
und doch bin ich verbunden mit dir, Mutter Erde
und ein Teil von mir trägt in sich die Erinnerung
an das Grenzenlose
an das untrennbar Verbundene
an den Gleichklang und die Kraft
Dankbar bin ich für dein Geschenk an mich, Mutter Erde
Martha, Juni 2011