Mitten im Licht der Sommersonne wird es dunkel und deine Blätter glänzen silbrig-weiß im fahlen Licht des Mondenscheins. Ich schließe die Augen und neben mir steht eine Frau, in Schatten gekleidet. Sie reicht mir die Hand, eine Einladung, und Seite an Seite spazieren wir den Weg entlang ins Traumland.
Deine zartrosa Blütenblätter erscheinen mir groß wie ein Schiff. Ich lasse mich nieder und reise, sanft getragen, auf dem großen Fluss der Träume. Am Nachthimmel über uns steht ein riesiger, voller Mond. Milchig-weißes Licht spiegelt sich im Wasser. Ich tauche meine Hand in den Fluss, die Finger seltsam betäubt, trinke ich ein wenig und das Blütenschiff beginnt sich aus dem Wasser zu heben. Wir fliegen durch den dunklen Nachthimmel und meine Seele scheinbar losgelöst von des Alltags Sorgen und Pflichten. Fern unter mir liegen Trauer und Schmerz, hier oben ist Ruhe und Entspannung, eine leichte Freude liegt auf meinen Lippen und die Töne, die meiner Kehle sanft entspringen, vereinen sich mit der Melodie der Sterne.
Immer weiter entrücken wir der Welt, mein Wolkenblütenschiff und ich, bis plötzlich! - mit einem lauten Knall - weit unter uns eine Samenkapsel zerspringt und ihre schwarzen Geschosse bis hoch hinauf in den Nachthimmel schleudert. Aus meinen Träumen aufgewacht blicke ich hinunter und in meinem Herzen eine Sehnsucht nach Mutter Erde und all dem fruchtbaren Sprießen und Blühen, dem Wachsen und Reifen und Vergehen. Dem nährenden Kreislauf, dem wir alle angehören, in den sich unsere Seele geboren zu werden gewünscht hat um ihn zu durchlaufen und um dann wieder einzugehen ins göttliche Alleins.
Meine Augen öffnen sich und ich blicke blinzelnd ins strahlende Licht der Sommersonne, unter meinen Füßen braune, weiche Erde und neben mir stehst du, der Schlafmohn. Ich danke dir für diese Reise!
Martha, Juni 2012